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Offener Brief von Dr. Franjo Grotenhermen an Rick Simpson

Offener Brief von Dr. Franjo Grotenhermen an Rick Simpson

Durch: OECM Aktivismus

Lieber Rick Simpson,

Sie sind vermutlich die bekannteste Persönlichkeit, wenn es um die medizinische Verwendung von Cannabis bei Krebserkrankungen geht. Viele verzweifelte Menschen, die an Krebs und anderen schweren Erkrankungen leiden, vertrauen Ihnen und setzen große Hoffnungen in Ihre Ratschläge.

Ihnen ist die damit verbundene Verantwortung bewusst, wenn Sie in Ihrem Buch schreiben: „Ich finde, dass jeder, mich eingeschlossen, der in eine Position öffentlichen Vertrauens gesetzt wird, damit einverstanden sein sollte, dass seine Arbeit, da sie das Interesse der Bevölkerung vertritt, sehr genau beobachtet wird“ (Seite 170 der deutschen Ausgabe). Dieser Verantwortung werden Sie nach meiner Auffassung aber nicht in dem notwendigen Maße gerecht, und ich hoffe, dass Sie das in der Zukunft besser machen können.

Ich teile Ihre Sichtweise, wenn Sie sagen: „Wie ich es schon mehrmals erklärt habe, gilt unsere Beobachtung und unsere heilige Pflicht, dafür zu sorgen, dass die Menschheit überlebt und gedeiht. Ärzte werden ihrem hippokratischen Eid folgen und Regierungen setzen sich für das Wohl der Menschheit ein. Das ist der einzige Weg, der Sinn macht, und wenn wir das ignorieren, wird die menschliche Spezies untergehen“ (Seite 169). Auf Seite 217 heißt es: „Meine Mission ist es jetzt, jedem die Wahrheit zur Verfügung zu stellen, denn zusammen können wir etwas verändern.“

Ich stelle aber fest, dass Sie viele wichtige Fakten nicht zur Kenntnis nehmen – zum Schaden der Menschen. Sie gestehen ein, dass Sie „in Wahrheit ja kein Arzt“ sind und „auch nicht die notwendige Qualifikation dazu“ haben (Seite 104), nehmen sich jedoch die Freiheit zu übertriebenen Heilsversprechen, die keiner sachlichen Überprüfung standhalten können, heraus. Ich will meine notwendigerweise leider sehr harte Kritik an sechs Beispielen verdeutlichen.

  • Unwissen

Sie schreiben: „Decarboxylierung tritt auf, wenn die Moleküle innerhalb des Öls durch den Einfluss von Wärme in die Delta-9-Position rotiert wurden, damit sie arzneilich aktiver werden“ (Seite 62).

Richtig ist jedoch: Bereits vor der Decarboxylierung handelt es sich um Delta-9-THC. Es findet durch die Decarboxylierung keine Veränderung der Delta-9-Position der entsprechenden Doppelbindung im Molekül statt. Decarboxylierung bedeutet eine Abspaltung von Kohlendioxid, sodass aus der in der Pflanze überwiegend vorkommenden Delta-9-THC-Carbonsäure das phenolische Delta-9-THC entsteht, das für die meisten therapeutischen Wirkungen des Delta-9-THC verantwortlich ist. Auf ihrer Webseite konnte ich lesen, dass sie zum Verzehr von pflanzlichen Lebensmitteln ermuntern, weil die darin enthaltenen Proteine ebenfalls krebshemmende Eigenschaften hätten. Es sind aber nicht die Proteine, sondern sekundäre Pflanzenstoffe, wie die Flavonoide, die solche Eigenschaften besitzen können.

  • Irrglaube

Sie schreiben: „Ich glaube, es ist für den Patienten sehr förderlich, wenn er das Öl so nah am Tumor oder der zu behandelnden Region platziert wie nur irgend möglich. Wenn man also Probleme im Bauchbereich hat, helfen daher Zäpfchen wahrscheinlich am besten, doch wenn Sie so etwas wie Speiseröhrenkrebs haben, würde ich es über den Mund einnehmen“ (Seite 80). Richtig ist: Auch bei Krebserkrankungen im Bauchraum erreichen die Cannabinoide den Krebs über den Blutkreislauf. Einige grundlegende medizinische Dinge sollte man wissen, um sich nicht auf den Glauben verlassen zu müssen, denn es könnte sich um einen Irrglauben handeln.

  • Verwechslung von Menge und Konzentration

Sie schreiben: „Allein der Menge nach ist es schon ausgeschlossen, dass die Hanftinktur in der Wirksamkeit dem puren Öl gleichkommt. Ein Patient könnte natürlich seine Dosis mit Alkohol gemischt einnehmen, aber wozu wäre das gut?“ (Seite 82).

Richtig ist, dass ein verdünntes Cannabisöl mit einem THC-Gehalt von 5 % bei der innerlichen Anwendung genauso starke pharmakologische Wirkungen entfaltet wie ein Cannabisextrakt oder Cannabisöl mit einem THC-Gehalt von 50 %. Denn es kommt bei der Wirkung nicht auf die Konzentration an. Entscheidend ist die absolute Menge. Ein Milliliter eines 50 %igen Cannabisextrakts enthält so viel THC wie 10 ml eines 5 %igen Cannabisextrakts, nämlich exakt 500 mg THC. Nur bei der äußerlichen Anwendung spielt die Konzentration eine Rolle.

  • Unzureichende Datenbasis

Sie schreiben: „Durchschnittlich ist einer von zehn dazu bereit, der Menschheit offen mitzuteilen, was sie geheilt hat. Doch die Mehrheit der Patienten tendiert dazu, darüber mehr oder weniger zu schweigen … Wenn sich aber die meisten nicht äußern, wird meine Aufgabe sehr viel schwerer und viele werden weiterhin sterben wegen denjenigen, die sich weigern, über das, was sie wissen, offen zu diskutieren“ (Seite 90). „Seit 2003 habe ich ungefähr 5.000 Menschen, die an allen möglichen Krankheiten litten, das Öl besorgt. Viele dieser Patienten hatten medizinische Probleme, die Aufmerksamkeit erforderten, doch wurden sie schnell unter Kontrolle gebracht oder geheilt mit der Einnahme des Öls“ (Seite 98).

Sie schreiben selbst, dass Sie nur von etwa jedem Zehnten der von Ihnen behandelten Patienten eine Rückmeldung bekommen haben, wie es ihnen mit der Therapie ergangen ist, und Sie beklagen, dass sich die meisten nicht meldeten. Trotzdem behaupten Sie unverdrossen, dass alle Patienten mit Krebserkrankungen, auch die, von denen Sie keine Rückmeldung bekommen hätten, durch die Verwendung von Cannabisöl geheilt worden seien. Völlig absurd wird Ihr Umgang mit Ihren begrenzten Daten, wenn man sich der Tatsache bewusst ist, dass es, je nach Klassifizierung, zwischen 100 und 1.000 Krebsarten gibt.

  • Fixierung auf THC

Sie schreiben: „Zur Behandlung schwerwiegender Krankheiten empfehle ich stets hochwertige Extrakte für die Anwendung. Ein hochwertiges Öl sollte zu 80 bis 90 % aus THC bestehen, um einen sehr beruhigenden und doch euphorisierenden Effekt zu erzielen, wenn es eingenommen wird. Je höher die Qualität des Öls, desto ausgeprägter wird die Heilwirkung sein“ (Seite 40).

Richtig ist jedoch: Neben THC weisen auch andere Cannabinoide krebshemmende Eigenschaften auf, darunter vor allem CBD (Cannabidiol). Es gibt Hinweise, dass bei einigen Tumorerkrankungen CBD sogar von größerer Bedeutung sein könnte als THC. Zudem gibt es deutliche Hinweise, dass zumindest bei einigen Krebserkrankungen eine Kombination aus THC und CBD eine stärkere Wirkung entfalten könnte als THC allein. Dies ist unter anderem auch von erheblicher Bedeutung, wenn THC nicht ausreichend gut vertragen wird und hohe Dosen nicht erzielt werden können, sodass zumindest ein Versuch mit hohen CBD-Dosen unternommen werden kann. Sie haben Ihre Theorie vor 15 Jahren entwickelt, als CBD noch nicht im Fokus stand. Unsere Kenntnisse zur Wirksamkeit von Cannabis und Cannabinoiden bei Krebs sind jedoch vorläufiger Natur und wir müssen immer wieder neue Daten berücksichtigen, um unsere Patienten auf der Höhe der Zeit beraten und behandeln zu können.

  • Warnung vor wirksamen Therapien

Sie schreiben: „Unglücklicherweise sind sehr viele Leute, die zu mir kommen, schwer geschädigt durch die Chemo- und Strahlentherapie etc. Die Zerstörungen, die solche Behandlungen anrichten, sind dauerhaft, und die Leute, die diese sogenannten Behandlungen erleiden mussten, sind am schwersten zu heilen. Aber verzweifeln Sie nicht, denn selbst bei so schweren Schäden hat das Öl immer noch eine Erfolgsrate von 70 bis 80 %“ (Seite 77).

Nun komme ich zu einem sehr ernsten Punkt. Sie raten allen Krebspatienten von einer Standardtherapie ab, weil Chemotherapie und Strahlentherapie Schaden anrichten würden. Stattdessen könnten alle Patienten durch Ihr Cannabisöl geheilt werden. Wir kennen die Heilungsrate Ihres Cannabisöl nicht, und Sie können sie ebenfalls nicht kennen, weil Sie zu wenige Rückmeldungen Ihrer Klienten haben. Wir kennen aber die Heilungsraten von Standardtherapien. Von 500.000 Menschen in Deutschland, die jährlich an Krebs erkranken, werden gegenwärtig 280.000 geheilt. Das sind etwa 55 %. Im Jahr 1980 starben noch zwei Drittel aller Krebspatienten in Deutschland bei dieser Diagnose.

Wenn nun die Heilungschancen mit Standardtherapien kontinuierlich zunehmen und die Heilungschancen für eine Therapie mit Cannabis unbekannt sind, wie viele Patienten sind unnötig gestorben, weil sie Ihrem Rat gefolgt sind?

Und wie viele Patienten, die hätten geheilt werden können, wenn sie eine Standardtherapie mit einer Cannabistherapie kombiniert hätten, hätten überleben können, wenn sie nicht allein auf Cannabis gesetzt hätten?

Dass Sie viele Dinge falsch darstellen, weil Sie die chemischen, physiologischen und medizinischen Dinge nicht verstehen, mache ich Ihnen nicht zum Vorwurf. Man muss diese Dinge auch nicht alle verstehen. Dieses letzte Thema, in dem es um Leben und Tod geht, ist aber so schwerwiegend, dass Ihnen der Vorwurf gemacht werden muss, dass Sie Ihrer Verantwortung und damit Ihrem eigenen Anspruch bisher nicht gerecht werden.

Es geht um das Wohl der Menschen, die sich an uns wenden. Diese haben ein Anrecht auf die aktuellsten Informationen und die bestmöglichen Ratschläge. Es reicht bei medizinischen Behandlungen insbesondere von schweren Erkrankungen, nicht aus, nur das Gute und Richtige tun zu wollen und vehement eine Überzeugung vorzutragen.

Ich bin davon überzeugt, dass sich Ihr Ansehen bei Ihren Unterstützern vergrößern würde, wenn Sie die Größe besäßen, Ihre Ratschläge zu überprüfen und zu aktualisieren. Ich bin davon überzeugt, dass Cannabis und Cannabinoide einen Wert in der Krebstherapie besitzen. Lassen Sie uns sorgfältig und gewissenhaft mit diesem Potenzial umgehen!

Mit freundlichen Grüßen,

Offener Brief von Dr. Franjo Grotenhermen an Rick Simpson
Franjo GrotenhermenGründer und leitender Direktor der IACM (Internationale Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin), Ehrenmitglied der Spanischen Beobachtungsstelle für Medizinisches Cannabis (Observatorio Español de Cannabis Medicinal)

 

Aus dem Buch:
Grotenhermen F.: Cannabis gegen Krebs: Der Stand der Wissenschaft und praktische Folgerungen für die Therapie.
Solothurn, Schweiz: Nachtschatten Verlag, 2017.
Mit einem Geleitwort von Prof. Burkhard Hinz, Direktor des Instituts für Pharmakologie und Toxikologie der Universität Rostock.

Photo courtesy of Allie Beckett

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